Rätselraten um „Kollektiv Jugend“

Schmierereien mit linken Aussagen, ein Küchentreff, Vorträge zum Marxismus: Das alles ist in Zwickau zu beobachten. Steckt eine kommunistische Jugendorganisation dahinter? Die „Freie Presse“ hat sich auf Spurensuche begeben.

„Rote Jugend voran“, „Nazis in die Fresse boxen“, „Free Palestine“ und „Free Gaza“: Solche Schriftzüge sind in den vergangenen Wochen an mehreren Orten in Zwickaus Innenstadt aufgetaucht, unter anderem an den Scheiben des ehemaligen Joh-Kaufhauses und am Bauzaun des Amtsgerichtes.

Direkt daneben: Hammer und Sichel. Wer ist für die Schmierereien verantwortlich? Gibt es in Zwickau wirklich eine Rote Jugend?

Recherchen im Internet führen zu einem Instagram-Profil mit dem Namen „Kollektiv Zwickau“. Dort finden sich keine Bekenntnisse zu den Schriftzügen in der Zwickauer Innenstadt, dafür aber Inhalte, bei denen Hammer und Sichel prominent zu sehen sind. Darunter: Aufrufe zur Teilnahme verschiedener Kundgebungen wie der kom-munistischen Lenin-Liebknecht-Luxemburg-Demonstration in Berlin. Eine Veranstaltung am 1. Mai in Zwickau wird mit dem Slogan „Den 3. Weg im Visier, Nazis angreifen“ beworben.

Zu sehen ist eine Frau, die durch das Zielfernrohr eines Gewehrs blickt. Auf dem Profil findet sich zudem ein Verweis zum Account „Kollektiv Jugend“, also der Jugendgruppe des „Kollektivs Zwickau“.

Darauf prominent dargestellt: die sogenannte „Kollektiv Küche“. Die soll im November 2023 in den Räumen des Alten Gasometers gegründet worden sein. Jedoch hat es nach Angaben von dessen Geschäftsführer Mario Zenner nie eine Zusammenarbeit gegeben. Die Kollektivjugend habe ohne Absprache die Räumlichkeiten des Gasometers vereinnahmt.

Zuvor habe der Verein „Roter Baum“ aus Zwickau dort eine Solidaritätsküche betrieben. Nachdem der Verein eigene Räumlichkeiten fand, wollte der Gasometer laut Zenner mit seinen eigenen Angestellten die offene Küche fortsetzen, um Jugendlichen das Kochen und Einkaufen näherzubringen.

Auf Instagram schrieb die Kollektivjugend von einem „riesigen Erfolg“. Jeden Mittwoch werde ab jetzt im Alten Gasometer gekocht. Zenner wurde durch Mitarbeitende darauf aufmerksam und setzte die Gruppe vor die Tür.

Seine Begründung: „Tatsächlich spielten die Raumnahme und die politische Ausrichtung der Gruppe eine Rolle für uns.“

Seit dem 17. Januar findet die offene Küche des Kollektivs laut Instagram in den Räumen einer Galeristin in Zwickau statt. Sie ist Mitglied bei der vom sächsischen Verfassungsschutz als linksextremistisch eingestuften Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands, kurz MLPD. Zu den Zwickauer Kollektiven liegen dem Verfassungsschutz laut einer Sprecherin keine Erkenntnisse vor.

Wie laufen die öffentlichen Küchentreffs, worüber wird dort diskutiert? Die „Freie Presse“ kündigte sich über eine Direktnachricht an die Kollektivjugend auf Instagram an. Vor Ort wird unser Reporter von der Galeristin begrüßt und aus der Küche, in der Teilnehmende Essen vorbereiten, zurück in den Eingangsbereich gelotst, um anschließend abgeschirmt und ausgefragt zu werden.

Sie verhält sich so, als sei sie die Sprecherin der Gruppe. Die Frage, ob die jungen Leute für die Schmierereien verantwortlich sind, beantwortet die Frau nicht. Sie erzählt stattdessen von angeblichen Bedrohungen der rechtsextremen „Freien Sachsen“ gegen sie.

Als danach die Mitglieder des Küchenkollektivs dazustoßen, mustern sie den Reporter. Ein Mann, der wesentlich älter als die Jugendlichen ist, ruft zu einer Abstimmung auf, ob man mit der Presse reden will. Ergebnis: Ja, aber nur über die Küche. Kein Wort zum Kollektiv oder den Schmierereien.

Drei Jugendliche erklären, dass die offene Küche aus einer Freundesgruppe entstanden sei. Man koche meist vegane Gerichte, mit dem Gasometer habe es nie ein Problem gegeben. Nach ihren Angaben kommen meist zehn Leute, zu Vorträgen etwa über den Gazakrieg bis zu 35.

Dann wird es undurchsichtig: Laut den Jugendlichen sind die Vorträge – anders als das Kochen – privat, obwohl sie auf den Instagram-Accounts des Kollektivs beworben werden. Zudem habe die dort erwähnte Kochgruppe nichts mit dem „Kollektiv Zwickau“ und seiner Jugendgruppe zu tun. Es entsteht der Eindruck einer linken Gruppierung voller Widersprüche, die vorgibt öffentlich zu sein, sich aber zum Teil konspirativ verhält.